Aktionsbündnis für die Würde unserer Städte fordert: „Schafft endlich den Rahmen, damit die Kommunen ihre Aufgaben erfüllen können!“


Viele Kommunen in Deutschland stecken in einer Finanzkrise. Insgesamt haben sie das Jahr 2023 mit einem Minus von rund sieben Milliarden Euro abgeschlossen. Das hat viele Ursachen: den Ukraine-Krieg, die Inflation, die berechtigterweise zu steigenden Lohnkosten führt, und zusätzliche Aufgaben aus neuen Rechtspflichten. Die aktuellen Entwicklungen verstärken die Folgen alter Probleme, deren Lösung schon längst hätte auf den Weg gebracht werden können. Dazu zählen die Wohnungsnot, die unzureichende Digitalisierung, die Belastungen in der Gesundheitsversorgung sowie eine rechtlich dauerhafte und auskömmlich gesicherte Finanzierung der Flüchtlings- und Integrationskosten und – nicht zu vergessen – das Altschuldenproblem, das vor allem Kommunen belastet, die mit den Folgen des wirtschaftlichen Strukturwandels zu kämpfen haben.

Auch die Stadt Zweibrücken engagiert sich im Aktionsbündnis für die Würde unserer Städte: „Viele Kommunen, auch die Stadt Zweibrücken, verfügen nur über geringe finanzielle Handlungsspielräume. Angesichts des hohen kommunalen Investitionsrückstandes muss unsere Finanzausstattung auf solidere Füße gestellt werden. Ein Schlüssel zur Lösung des Problems liegt in einer stringenteren Umsetzung des Konnexitätsprinzips. Mit der Teilnahme an der Partnerschaft zur Entschuldung der Kommunen hat das Land Rheinland-Pfalz bereits einen Schritt für mehr finanzielle Handlungssicherheit getan. Nun ist es ebenfalls am Bund seinen Teil zu tun. Grundsatz muss dabei immer sein: Wer bestellt, bezahlt!“, so der Zweibrücker Bürgermeister und Finanzdezernent Christian Gauf.

Die ohnehin schon geringen Möglichkeiten der Betroffenen zu agieren und zu investieren, schrumpfen weiter. Die finanzschwachen Kommunen haben in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um aus eigener Kraft die Haushaltslage vor Ort so gut wie möglich zu verbessern. Die Erfolge drohen nun untergraben zu werden, der große Krafteinsatz und die Entbehrungen der vergangenen Jahre erscheinen vergeblich.

Die Konsequenzen gehen über Defizite und neue Schulden hinaus. Sie werden an der unzureichenden Handlungsfähigkeit der Kommunen auch faktisch sichtbar. Die Kommunen werden als erste Ebene des Staates wahrgenommen. Wenn ihre Handlungsfähigkeit nicht mehr gesichert erscheint, geraten Demokratie und das Vertrauen in sie in große Gefahr.

Wöchentliche Demonstrationen und wachsender Zuspruch für Populisten, Beschimpfungen und Bedrohungen kommunaler Repräsentanten sowie wachsender Frust bei Vertretern aus Verwaltung und Räten sind kein düsteres Zukunftsszenario, sondern inzwischen leider Alltag in den Kommunen. Die Verantwortungstragenden in diesen Städten und Kreisen bekommen den großen Vertrauensverlust der Bürgerinnen und Bürger zu spüren, obwohl sie die Ursachen nicht beeinflussen können. Wenn nun nichts passiert, werden auch viele der Wählerinnen und Wähler enttäuscht, die sich in den vergangenen Wochen in großen Demonstrationen gegen die rechten Populisten gestellt und damit ein großes Zeichen für die Demokratien gesetzt haben.

 

Mit vier positiven Schritten können Bund und Länder die Handlungsfähigkeit der Kommunen stützen und sichern: Sie müssen mitanpacken, vertrauen, ihre Versprechen einlösen und Investitionen unterstützen.

 

Anpacken

In der Regel sind die betroffenen Kommunen unverschuldet finanzschwach. Verschiedene Studien und Kommissionen auf Bundes- und Landesebene kommen immer wieder zu demselben Ergebnis: Ein Strukturwandel hat die Betroffenen in diese Situation gebracht. Das Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse zu gewährleisten, wird verfehlt, weil die Ausgleichsmechanismen unzureichend sind. Vielfach korrespondieren unterdurchschnittliche Steuereinnahmen und überdurchschnittliche Sozialausgaben. Teilweise verschärfen Bund und Länder die Notlage sogar noch, indem sie – insbesondere im Sozialbereich – Aufgaben an die Kommunen delegieren, ohne die Kosten in der entstehenden Höhe auszugleichen. Das geht so weit, dass die Städte und Kreise Kredite aufnehmen müssen, um die Pflichtaufgaben zu erfüllen, die Bund und Länder an sie übertragen haben.

Deshalb fordert das Aktionsbündnis:

• Die bundesstaatliche Finanzverteilung hat die Unwucht zuungunsten der finanzschwachen Kommunen nicht hinreichend ausgeglichen. Das muss angesichts weiter steigender Aus- und Aufgaben dringend verändert werden.

• Bund und Länder müssen einen höheren Anteil an den Sozialkosten übernehmen, etwa bei der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen und der wirtschaftlichen Jugendhilfe. Es müssen aber auch Maßnahmen finanziert werden können, die die Ursachen bekämpfen. Bund und Länder müssen mehr Finanzmittel bereitstellen, damit die Integrationsaufgaben bewältigt werden können.

 

Vertrauen

In Deutschland gibt es mehr als 900 Förderprogramme – ein kaum zu durchdringender Dschungel und ein Berg an Bürokratie, dessen Aufwand zuweilen mehr kostet, als das Förderprogramm einbringt, so denn überhaupt die Kapazitäten vorhanden sind, um alles zu bewältigen. Vor allem wohlhabende Städte können den enormen Verfahrensaufwand stemmen und profitieren. Dagegen müssen sich diejenigen, denen das Personal und die Eigenmittel fehlen, auch noch den Vorwurf gefallen lassen, sie hätten Hilfen nicht abgerufen.

Letztlich ist die heutige Lage Ausdruck ministerialer Detailversessenheit, überzogener politischer Einflussnahme und – was besonders empörend ist – eines nicht vorhandenen Vertrauens in die kommunale Ebene. Die umfangreichen Antrags- und Kontrollverfahren, die auf allen Ebenen viele hochqualifizierte Menschen binden, sind so wenig erforderlich wie Förder-Lotsen für den beschriebenen Dschungel. Denn die Lage in den Kommunen ist so ernst, dass die dort Verantwortlichen ganz automatisch die Mittel von Bund und Land an der richtigen Stelle einsetzen. Vor Ort weiß man am besten, wo der Bedarf am größten ist.

Deshalb fordert das Aktionsbündnis:

1. Bündelung und Vorrang für Pauschalierung

• Die Programme und Fördermittel müssen gebündelt und so ihre Zahl gesenkt werden! Vorschlag: Halbierung der Programmzahl bei unverändertem Fördermittelvolumen. Das wäre ein – erster – starker Impuls und lichtet den Dschungel.

• Finanzmittel der Förderprogramme auf Schwerpunkte konzentrieren. Vorrang hat die Verteilung nach pauschalen Kriterien. Dafür sollte mindestens die Hälfte des Fördervolumens verwendet werden. Diese Zuweisungen müssen nach Bedarf und dürfen nicht mit der Gießkanne (etwa nach Einwohnerzahl) erfolgen. Investitionsfördermittel müssen auch für Instandhaltung verwendbar sein.

2. Radikale Vereinfachung verbleibender antragsgebundener staatlicher Förderprogramme

•Antragsgebundene staatliche Förderprogramme sind grundsätzlich – wieder – auf solche Ziele zu beschränken, die Kommunen von sich aus nicht aufgreifen würden und die damit einen echten Zusatznutzen zur kommunalen Aufgabenerfüllung bringen.

• Für diese Förderprogramme sind die Verfahrensvorschriften (Antragstellung, Mittelbewirtschaftung, Verwendungsnachweisführung) deutlich zu vereinfachen (wie bei KIP 1 und 2), der zeitliche Rahmen ist zu flexibilisieren. Statt den Mittelverbrauch zu kontrollieren, ist das Erreichen des politisch gesetzten Zieles in den Fokus zu nehmen.

• Alle Förderprogramme sind auf einer einheitlichen digitalen Plattform transparent abzubilden.

• Grundsätzlich muss eine angemessene Finanzausstattung Vorrang haben.

 

Einlösen

Bund und Länder tragen aufgrund ihres Vorgehens in den vergangenen 40 Jahren die wesentliche Verantwortung für die kommunalen Schulden aus Liquiditätskrediten von mehr als 30 Milliarden Euro. Tilgungs- und stark steigende Zinslasten nehmen den Kommunen ihre Handlungsfähigkeit.

Alle Bundesländer mit betroffenen Kommunen hat dies erkannt und Altschuldenlösungen mit substanziellem Eigenanteil des jeweiligen Landes mindestens auf den Weg gebracht. In der Praxis zeigt sich die erhoffte Wirkung. Jetzt gilt es, auf Bundesebene eine Gesetzesvorlage für eine Altschuldenregelung einzubringen und im Bundestag und Bundesrat mit klaren Mehrheiten Solidarität mit den Betroffenen zu zeigen. Denn von den Versprechen in Koalitionsverträgen und Wahlprogrammen können die Städte sich buchstäblich nichts kaufen.

Teil der Altschuldenregelung müssen Maßnahmen sein, die Neuschulden verhindern. Die Städte und Kreise sind selbstverständlich bereit, ihren Anteil an der Altschuldenlösung zu tragen und Pflichten zur Vermeidung von Neuschulden auf sich zu nehmen.

Unterstützen

Die Kommunen haben in den vergangenen 20 Jahren so wenig investiert, dass dadurch – sichtbar für jeden – noch nicht einmal die Substanz der kommunalen Infrastruktur erhalten werden konnte. Besonders finanzschwache Kommunen waren hier im Nachteil. Dies führt nicht nur zu einem lokalen Mangel. Es gefährdet den Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt, denn die Kommunen erbringen wichtige Leistungen für die Wirtschaft. Auch marode Straßen und Brücken treffen nicht nur die finanzschwachen Städte selbst, sondern auch die gesamte Region.

Hier muss massiv gegensteuert werden, um den Nachholbedarf aufzuarbeiten, den Modernisierungsbedarf abzudecken und den Transformationsbedarf zu befriedigen. Temporäre Investitionsförderprogramme sind da nicht hilfreich. Im Gegenteil: Sie entfachen vor allem ein Strohfeuer, das die Preise hochtreibt, weil die notwendigen Kapazitäten in den Verwaltungen und der Wirtschaft nicht vorhanden sind. Das ist das Gegenteil von wirtschaftlicher Aufgabenerfüllung. Dauerhaft ist ein Investitionsniveau sicherzustellen, dass den Substanzerhalt sicherstellt und Innovationen zulässt.

Deshalb fordert das Aktionsbündnis:

Um die kommunale Investitionskraft langfristig zu stärken und damit auch eine dauerhafte Erhöhung der Planungs- und Baukapazitäten zu ermöglichen, muss den Kommunen mehr Geld zur Verfügung gestellt werden:

• Langfristig ist die bundesstaatliche Verteilung der Finanzmittel zugunsten der Kommunen zu verändern.

• Kurz und mittelfristig ist mit einem auf 10 bis 15 Jahre angelegten Instandhaltungs- und Infrastrukturfonds bereits jetzt das notwendige Geld bereitzustellen, um den Nachholbedarf abzuarbeiten. Hierzu gehört auch, finanzschwache Kommunen personell in die Lage zu versetzen, überhaupt Instandhaltungs- und Infrastrukturmaßnahmen umsetzen zu können. 

Das wird aber nicht reichen, denn die Investitionskosten werden auch durch bürokratische Vorgaben und überbordende, zeitlich lange Planungs- und Ausschreibungsverfahren nach oben getrieben. Diese bürokratischen Hürden müssen deutlich verringert werden. Sonst kann keine Investitionsoffensive gelingen.

 

Fazit

Die Handlungsfähigkeit der Kommunen ist massiv gefährdet. Nach Jahren des eisernen Sparens und beachtlicher Erfolge im Schuldenabbau drohen zunichte gemacht zu werden. Stark gestiegene Energie- und Materialpreise, hohe Zinsen, immer noch weiter wachsende Aufgaben ohne angemessenen finanziellen Ausgleich – all das erfordert schnelle Gegenmaßnahme. Eine Altschuldenlösung, eine Reform der Förderpolitik sowie einen Instandhaltungs- und Infrastrukturfonds sind die dafür geeigneten Instrumente. Mit ihnen würden Bund und Länder mitanpacken, Vertrauen in die kommunale Ebene zeigen, ihre Versprechen einlösen und Investitionen unterstützen. Eine solide Daseinsvorsorge ist die Voraussetzung dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger ihr Vertrauen in die erste Ebene des Staates bewahren beziehungsweise zurückgewinnen.