Himmelsbergstollen
Aus Sicherheitsgründen ist die Anlage leider nicht zu besichtigen.
Trotzdem möchten wir Ihnen mit den folgenden Bildern und Ausführungen den Himmelsbergstollen etwas näherbringen.
Als 1944 der Zweibrücker Stadtbaumeister Gustav Groß bei der Suche nach geeigneten Luftschutzräumen auf dem Himmelsberg auf einen alten Eingang des Himmelsbergkellers stieß, traute er seinen Augen kaum. Im Untergrund befand sich, unter einer sieben bis elf Metern dicken Felsdecke, eine riesige in den Sandstein gehauene Kelleranlage, die bisher niemand in Zweibrücken kannte. Obwohl Felsenkeller in Zweibrücken nichts besonderes sind, sie finden sich vielfach in den Hängen des Kreuz- und Himmelsberges und dienten der Hochwasser geplagten Stadtbevölkerung als Vorratsräume bzw. den zahlreichen Brauereien im 18. und 19. Jahrhundert als Eiskeller, so überraschte hier die Größe. Wie konnten Keller mit einer Gesamtfläche von rd. 2.360 m², die stollenförmig in den Fels gehauen waren, so dass 28 Einzelräume mit teilweise über 100 m² Fläche entstanden waren, völlig in Vergessenheit geraten sein. Nicht einmal Zweibrückens berühmter Geschichtsschreiber Ludwig Molitor, der sich 1879 in seinem Buch „Zweibrücken, Burg und Stadt ... „ intensiv mit der Anlage der Stadt und ihrer Befestigungsanlagen beschäftigt hatte und der mit seiner „Geschichte einer deutschen Fürstenstadt“ die detaillierteste Geschichte von Zweibrücken verfasste, erwähnt diese Keller. Doch die geheimnisvolle Vergangenheit war den Wiederentdeckern erst einmal zweitrangig.
Andere Probleme standen 1944 im Vordergrund. Die Stadt war aufgrund der immer größer werdenden Bombenbedrohung auf der Suche nach geeigneten Luftschutzräumen. Da erschien dieser massive Keller tief unter der Erde wie ein Geschenk des Himmels: Gustav Groß ließ ihn unverzüglich zu einem Schutzraum ausbauen. Es entstand „eine Stadt unter der Stadt“. In den ersten Monaten des Jahres 1945 waren in der Sicherheit des Kellers die wichtigsten Einrichtungen der Stadt untergebracht: die Stadtverwaltung, das Rote Kreuz, die technische Nothilfe, die Feuerwehr, die Stadtwerke, das Wirtschaftsamt, die Post, Verpflegungs- und Treibstofflager, ja sogar eine Krankenstation mit kleinem Operationsraum. Auch die Menschen, die trotz der angeordneten Evakuierung in der Stadt geblieben waren, fanden hier immer wieder Zuflucht. Dank der Aufnahmekapazität dieser Keller forderte die katastrophale Bombardierung vom 14. März 1945, als von alliierten Bombenflugzeugen innerhalb von zwanzig Minuten 800 Tonnen Sprengstoff auf die Innenstadt abgeworfen wurden, vergleichsweise wenig Menschenleben. Während viele Privatkeller verschüttet wurden, hielten die Himmelsbergkeller stand. Als die Menschen die Keller verließen, standen sie jedoch vor ihrer brennenden, völlig zerstörten Heimatstadt.
In der Nachkriegszeit geriet der Keller wieder etwas in Vergessenheit. Man diskutierte zwar innerhalb des Historischen Vereins Zweibrücken die Altersfrage des Kellers, kam aber über Vermutungen nicht hinaus. Es gab Dringenderes zu tun. Der Wiederaufbau fesselte alle Kräfte. Erst in den 1980er Jahren geriet er wieder in den Blickpunkt. Damals beschäftigte sich zum ersten Mal das Landesamt für Denkmalpflege eingehender mit ihm. Dr. Karlwerner Kaiser, der ehemalige Leiter des Amtes für Bodendenkmalpflege in Speyer, führte 1985/86 einige Untersuchungen zur Entstehung und des Alters der Kelleranlage durch. Seine Untersuchungen und Ergebnisse hat er in dem Aufsatz „Die großen Felsenkeller im Himmelsberg zu Zweibrücken“ ausführlich beschrieben, bisher die einzige wissenschaftliche Veröffentlichung über die Kelleranlage. In Bezug auf Alter und Nutzung der Anlage blieben aber auch ihm nur Spekulationen. Die Werkzeugspuren an den Sandsteinwänden verweisen auf eine Entstehung vor dem 18. Jahrhundert, da damals neue Bearbeitungstechniken aufgekommen waren. Davor waren die Methoden zur Sandsteinbearbeitung Jahrhunderte, ja Jahrtausende gleichgeblieben. Die Spuren von Schießpulver dagegen verweisen frühestens auf das 16. Jahrhundert, so dass man die Entstehung zumindest grob zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert datieren kann.
In der Hoffnung auf Funde, die eine genauere Datierung ermöglichen sollten, ließ das Stadtbauamt durch eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme die Stollen bis auf ihr bauzeitliches Niveau räumen. Dazu mussten rd. 3.000 m³ Erdreich und Schutt, die in der gesamten Anlage bis zu einer Höhe von ca. einem Meter einplaniert waren, ausgeräumt werden. Diese Aufschüttung war nach der Datierung von Kaiser im Spätjahr 1944 eingebracht worden. Das Leben im Luftschutzkeller 1945 spielte sich also einen Meter über dem ursprünglichen Niveau ab. Unter dem eingebrachten Schutt, der keine Datierungshinweise brachte, fanden sich teilweise hochinteressante Hartstein-Pflasterungen der Hauptwege, die auf eine Nutzung mit Pferd und Wagen schließen lassen, aber auch die Altersbestimmung nicht weiterbrachten. Die L-Form der Gesamtanlage sowie die unterschiedliche Höhe der Einzelgänge lässt jedoch auf eine Entstehung in zwei Bauabschnitten schließen. Die Gänge, die an die heutige Himmelsbergstraße angrenzen sind vermutlich etwas älter als der Teil zur Wackenstraße hin. Der Zugang zum Keller erfolgte ursprünglich wohl über zwei Wendeltreppen, wobei eine davon beim Ausbau zum Luftschutzkeller 1944 einem Kohlenschacht zum Opfer fiel. 1944 wurden zwei neue Treppenanlagen angelegt, die den Zugang zum Keller für größere Menschenmengen erleichterten. Eine dieser Treppen dient auch heute noch als Zugang (Hof der Hauptschule Mitte).
Der Kaiser mutmaßt, wie vor ihm bereits der Historiker Dr. Albert Becker, die Entstehung der Kelleranlage im Zusammenhang mit der von Sébastien de Vauban geschaffenen Befestigungslinie zum Schutze der neuen französischen Ostgrenze um 1680. In diesem geschichtlichen Zusammenhang entstanden auch die Befestigungsanlagen von Straßburg, Landau, Bitsch, Homburg, Saarlouis und Luxemburg. Für diese Datierung spricht auch die Tatsache, dass der kurpfälzische Festungsbaumeister Adam Stapf, der sich zu Beginn des 30jährigen Krieges sehr intensiv mit den Befestigungsmöglichkeiten der Stadt Zweibrücken beschäftigte, die Keller offensichtlich nicht kannte. Er unterbreitete der herzoglichen Regierung fünf verschiedene Vorschläge zum Ausbau der Befestigungsanlagen, die allesamt aus finanziellen Gründen nicht verwirklicht wurden. Hätten die Keller damals schon bestanden, hätte er sie sicherlich in seine Planungen mit einbezogen, zumal in seinem umfassendsten Vorschlag der Himmelsberg als Schwachstelle jeder Verteidigungsanlage mit in die Stadtbefestigung einbezogen werden sollte.
Kaisers Vermutung, dass erste Anfänge des Kellers unter Herzog Wolfgang im 16. Jahrhundert gelegt wurden, beruht ausschließlich auf einem Datumsstein, der 1944 bezeugt, jedoch bereits in den 1980er Jahren nicht mehr auffindbar war.
Da bisher keine archivalischen Quellen zum Himmelsbergkeller gefunden wurden, kann über die Entstehungszeit und die bauzeitliche Nutzung nur spekuliert werden. Hier wären umfassende Forschungsarbeiten von Nöten, die bisher noch nicht geleistet wurden. Vielleicht finden sich in französischen Archiven Hinweise zur These, dass die Keller unter Vauban in der so genannten Réunionszeit angelegt wurden. Die Größe der Anlage, vor allem die ungewöhnliche Höhe der Stollen, lässt auf eine hervorragende Organisation beim Bau und eine militärische Nutzung schließen. Wenn die Arbeiten in den 1680er Jahren durch die Franzosen ausgeführt wurden, ließe sich zumindest teilweise die Geheimhaltung in einer ohnehin fast entvölkerten Region erklären.
Zweibrücken besitzt im Himmelsbergkeller ein außergewöhnliches kulturhistorisches Denkmal, dessen Einzigartigkeit von Fachleuten aller Forschungsrichtungen immer wieder betont wird. Man kann gespannt sein, was die weiteren Forschungen ergeben. Vielleicht gelingt es, das Geheimnis des Himmelsberges zu lüften.
Autorin: Dr. Charlotte Glück